Kaum ein Gewässer hat in Bezug auf Wallerangeln für so viel Gesprächsstoff gesorgt wie der Fiume Po. Über das Karpfenangeln am Po selbst, dessen Bestände und die unglaubliche Bestandsdichte ist im Allgemeinen nicht wirklich viel bekannt! Nur sehr wenig wurde über das Karpfenangeln an diesem bemerkenswerten Gewässer publiziert. Auch wird über das Friedfischangeln und im Speziellen über das Karpfenangeln am italienischen Wallerfluss kaum gesprochen. Ein Strom, in dem die Karpfen auf Grund der Natürlichkeit des Habitats und der sonstigen Gegebenheiten noch reproduzieren. Anlass genug für mich und meine Freunde Andy Gutscher und Walter Mayer sich mit Karpfenangeln am Po intensiv auseinanderzusetzen.
Andys Camp im Po-Delta war einmal mehr die ideale Ausgangsbasis für unser Unterfangen Karpfenangeln. Mit unserem Freund Andy Gutscher – dem Waller-Knaller – hatten wir aber auch den besten Partner für dieses Vorhaben, denn kaum jemand kennt den Po im Unterlauf besser als er.
Terminwahl und Vorbereitungen
Für die acht Angeltage, die uns zur Verfügung standen, hatten wir uns Einiges vorgenommen. Laufend kommunizierte ich seit Anfang Juni 2011 mit Andy im Bezug auf Wetter, Wasserstand und Angelverhältnisse. Der Termin für unser Vorhaben wurde in Absprache mit Andy zweimal hintangestellt.
Zu packen gab es kaum noch was, da wir ja schon längere Zeit Abmarschbereitschaft hergestellt hatten. Unser Geräteschwergewicht lag bei den üblichen Gerätschaften zum Karpfenangeln. Nebenbei wurden auch noch schwereres Spinngerät und Wobbler als Alternative für das Angeln auf Welse bei steigendem bzw. schmutzigem Wasser eingepackt. Eine große Menge Angelgeräte und Videoequipment füllten meinen Mercedes-Transporter nahezu randvoll. Böse Zungen behaupteten, dass Walter und ich zum Flohmarkt nach Italien fahren. Anfang August war es soweit, die Verhältnisse passten und nach Andys Anruf ging’s zwei Tage später ab ins Po-Delta. Da die Rahmenbedingungen an sich sehr gut waren und auf Grund der prognostizierten Witterung in der nächsten Woche kaum ein Wetterumschwung oder Hochwassergefahr bestand, nahmen wir bewusst den heißen Sommermonat August für unser Vorhaben in Kauf.
Gewässerstruktur, Bestandsdichte, Strömung und Nahrungsaufkommen
Der Po hat seine Quelle in den italienischen Westalpen, er ist der größte Strom Italiens und mündet nach 652 km über ein Delta in die Adria.
Der Strom fließt in seiner vollen Pracht eingebettet von Baumbewuchs und Buschwerk hinter mächtigen Dammkronen der Adria zu. Ein wenig erinnerte mich die sich träge dahin wälzende Wassermasse wie auch sein Umfeld an die alten Don Camillo und Peppone Filme aus meiner Kindheit. Es schien mir, als wäre die Zeit hier stehen geblieben. Schon bei meiner ersten Reise im Jahre 2003 war ich mir bewusst, dass dieser Strom in keiner Weise mit unseren Fließgewässern zu vergleichen ist. Die Uferzonen sind Großteils natürlich belassen und nur spärlich mit Bruchsteinen gesichert. Das Ufer und die Überflutungsräume innerhalb der Dammkronen wurden kaum von Menschenhand gestaltet und bieten ideale Laichräume für alle Fische. Die Gewässerstruktur ist sehr wechselhaft, Flachwasserzonen, Sandbänke, und Übergänge in tiefere Bereiche wechseln oft ab. Die Gewässerbreite beträgt zwischen 150 und 300 m, die Gewässertiefe bei Normalpegelstand etwa 2 bis 20 Meter. Die Strömung ist viel geringer als an unseren Fließgewässern und wird durch den Wasserstand und durch die Gezeiten der Adria beeinflusst. Auch der Fracht- und Passagierschiffsverkehr und der damit verbundene Wellenschlag ist am Po nur marginal bzw. nahezu kaum vorhanden und macht das Angeln vom Boot aus mehr als angenehm.
Beim Angeln vom Boot aus stellt auch die Strömung kein Problem dar, die Anker halten meist bombenfest am sandigen Gewässeruntergrund. Bei Flut verringert sich die Strömung im Delta-Bereich entscheidend, insbesondere bei Niederwasser. Unter solchen Verhältnissen kann die Strömung nahezu zum Stillstand kommen. Bei Ebbe und höherem Wasserstand kann sie auch etwa 1 m/sec bisweilen mehr betragen. Auch beim Angeln vom Ufer aus stellt die Strömung meist kein Problem dar, und man bleibt auch bei ungünstigen Verhältnissen/starke Strömung mit etwa 150 – 200 g liegen (Verhältnismäßigkeit-Strömung/Schnurstärke/Blei/Wurfweite). Bei hohem Wasserstand ist maximal das mitführende Treibholz beim Uferangeln ein Problem/eine Beeinträchtigung. Dies sollte man nicht außer Acht lassen.
Die Bestandsdichte an Friedfischen ist enorm. Neben Giebeln, Güstern und Barben sind gerade Karpfen der unterschiedlichen Arten in einer ungeheuren Dichte vorhanden. Der massive Karpfenbestand begründet sich einerseits darin, dass diese auf Grund der Natürlichkeit des Habitats und der sonstigen Konstellation am Po reproduzieren/laichen. Andererseits auf dem enormen, natürlichen Nahrungsangebot an Muscheln, Bachflohkrebsen, Mückenlarven und sonstigen Nährtierchen (s. Abb.) und den damit gegebenen, optimalen Lebensbedingungen. Oft denkt man, die Uferrandbereiche leben.
Angelplatz und Futterstrategie
Bei unserer Ankunft führte der Po etwa einen halben Meter weniger Wasser als bei Normalstand, das Wasser war sauber, die Verhältnisse nahezu optimal. Andy hatte vier Angelplätze, drei am Po und einen am Po di Goro (kleiner Po), für uns ausgewählt und im Vorfeld schon vorgefüttert. Die Plätze waren so ausgewählt, dass zwei Plätze am Po nur vom Boot aus zu beangeln und der weitere Platz am Po und jener am Goro sowohl vom Boot als auch vom Ufer aus zu befischen waren. Die Uferangelplätze waren von Bäumen auch gut beschattet, was zu dieser Jahreszeit sicher von Vorteil ist. Gefüttert wurde in der Anfangsphase mit Partikel, Pellets und Boilies. Wobei wir in Bezug auf Menge sicher nicht sparten und den Gelbmännern das Feinste an Knödel, Pellet und Partikel boten. Angefüttert wurde in einer breiteren Straßenfütterung, als auch Punkt genau mit dem Futterrohr (siehe Extra-Tipp) im Zuge des Angelns.
Vom Boot und vom Ufer – Flexibilität bringt Fisch
Gerade das Karpfenangeln vom Boot aus ermöglicht uns jene Flexibilität, um auch zwei oder drei Plätze am Tag zu beangeln. Das Boot gestattet uns aktives, flexibles Angeln und zwingt uns nicht zum sturen Ersitzen der Karpfen. Sollte man sich bei der Platzwahl bei einem Angelplatz auch einmal irren, kann man dieses Missgeschick durch ein oder zwei weitere Angel-Futterplätze kompensieren und so doch zum Erfolg kommen. Wenngleich dies den Futtereinsatz erheblich maximiert, sollte man es in Kauf nehmen und nicht sparen. Wir unternehmen ja nicht jeden Tag eine Reise an den Po zu Karpfenangeln.
Gerade bei hochsommerlichen Temperaturen können wir auch das Angeln auf die kühlere Tageszeit verlegen, wenn wir vom Boot aus angeln. Besonders wichtig ist es, das Boot mittels einer Zweipunktverankerung stabil in der Strömung zu fixieren. Im Zuge unseres Vorhabens angelten wir auch zwei Tage sehr produktiv vom Ufer aus. Vor dem Beziehen des Platzes empfiehlt es sich, an diesem einmal kurzfristig zu angeln, um festzustellen, ob die Karpfen den Futterplatz auch angenommen haben. Ein späterer Platzwechsel wäre nach Aufbau des Angelplatzes am Ufer bei mehr als dreißig Grad eine Tortur der besonderen Art.
Beißverhalten
Zum Beißverhalten ist zu bemerken, dass gerade im tiefen Wasser (fünf bis acht Meter) die Bisse auch am Tag in oft sehr kurzen Abständen erfolgten. Diese Verhaltensweise konnte ich auch schon an vor Jahren der Tisza feststellen. Wenngleich am Po dies mit Sicherheit auch mit dem Gezeitenwechsel und den damit sich ändernden Strömungsverhältnissen im Zusammenhang steht.
In der Nacht war an den tiefen Angelplätzen nur ein Biss zu verzeichnen. Zu dieser Tageszeit weichen die Karpfen erfahrungsgemäß zur Nahrungssuche an die Flachwasserzonen aus. Bezeichnend dafür war, dass gerade in den frühen Nachmittagsstunden (größte Hitze) für drei bis vier Stunden die Karpfen sehr gut bissen.
Gerät und Montagen
Beim Gerät ist man mit Stärke gut beraten. Starke Ruten von mindestens 3,5 lbs., eine stabile Freilaufrolle mit Schnurfassung von 200 Meter 0,40 bis 0,50 mm Hauptschnur und ein solides Bremssystem sind Pflicht, um den wehrhaften Karpfen in dieser oft schwierigen Gewässerstruktur entgegen zu treten können.
Bei den Montagen kann man beruhigt eine simple Inline-Montage oder ein Bold-Rig mit einer NowKnot-Montage verwenden. Das Boilie (Schneemann) war der fängigste Köder! Die Karpfen haben kaum eine negative Erfahrung gemacht, darum sind sie im Beißverhalten nicht sonderlich heikel. Da an den tiefen Gewässerabschnitten die Schuppenträger oft hart an der auch gegebenen Steinwurfsicherung ziehen, hat es sich von Vorteil erwiesen, ein kleines Beiboot zum Hänger-Lösen mitzuführen. Da das Angeln am Po mit drei Ruten gestattet ist, verwendeten wir beim Bootsangeln als Rutenablage die am Boot vorhandenen Bootsrutenhalter und nicht unsere mitgeführten Philipps-Bootroodpods. Fallweise angelten wir (3 Personen) mit allen neun Ruten vom Boot aus. Mittels den über das ganze Boot verteilten Bootsrutenhaltern lassen sich die Ruten besser gestaffelt platzieren und im Drill handhaben. Die Bisse erfolgen meist sehr vehement und können einem im Normfalle nicht entgehen. Mit etwas Aufmerksamkeit kann man auch einen gelegentlichen Fallbiss kaum übersehen.
Wildkarpfendominanz
Auf Grund der erzielten Fänge konnten wir feststellen, dass die Schuppenkarpfen am Po noch die dominante Karpfenart ist. Wobei zu bemerken ist, dass die Majorität der gefangenen Schuppenkarpfen von sehr schlankem, torpedoartigem Wuchs waren und die klassischen Merkmale des Wildkarpfen aufwiesen. Ob und inwieweit diese sich mit den Schuppenkarpfenbeständen, welche aus getätigten Besatzmaßnahmen stammen, verschmelzen, wird sich im nächsten Jahrzehnt zeigen. Aber auch die klassische, bullige Schuppenkarpfenform sowie ein halbwüchsiger Fully-Scaled wurden gefangen. Ein von einem Wels angeraubter Spiegelkarpfen (6 - 7 kg), welcher schwer in Mitleidenschaft gezogen war, rundete das Bestandsbild ab.
Zusammenfassende Feststellungen
Der Po ist nach meiner Ansicht das faszinierendste Fließgewässer im Bezug auf Karpfenangeln, das ich bis jetzt kennen gelernt habe.
Dieser Strom ist sicher nicht mit Fließgewässern unserer Breiten zu vergleichen, insbesondere auch deshalb nicht, weil die Karpfen auf Grund der optimalen Bedingungen erwiesen reproduzieren und deshalb eine ganz andere Bestandsdichte gegeben ist. Wir erlebten im Zuge unseres Aufenthaltes – Karpfenangeln der Superlative. Angeln kann nicht schöner sein! Ohne Hardcore zu angeln, wurden von uns 48 Karpfen gefangen, was die enorme Bestandsdichte an Karpfen am Po bekundet.
Faszinierend sind für mich auch die Freizügigkeit im Bezug auf die Angelbestimmungen, die Natürlichkeit des Stroms und die der anliegenden Gewässer. Wer einmal am Po geangelt hat, den wird es sicher immer wieder wie magisch dorthin zurückführen.
Anglerinfo:
Unterkunft, Boot und Betreuung
Der Waller-Knaller – Andys Wallercamp
Unterkunft im Zimmer/Bungalow für 2 bis 4 Personen mit Klimaanlage bzw. Heizung
Erstklassige Boote mit Echolot erhältlich
Gaststube mit Hausmannskost
Camping, eigener Pool und Teich
Individuelle Betreuung auf Vereinbarung
Camp-Adresse
Fraz. S. Maria in Punta, Po di Venezia 43
I-45012 Ariano Polesine
Tel. (+39)0426/70270
Handy (+39)34 82 24 32 28
Fax (+39)0426/37 07 76
Nähere Infos unter:
www.andyswallercamp.eu
E-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
oder telefonisch über Andy Gutscher
Lizenz
Die Angelkarte (Lizenz/3 Monate) für die Region Veneto (ca. 15,– €) sowie Köder können über das Camp besorgt werden.
Anreise
Über Venedig Richtung Ravenna bis Taglio di Po, dann rechts nach Corbola bis zum Po-Damm, dann stromauf 2,5 km bis zum Camp!
Extra Tipp
Das Futterrohr – die Tiszá-Fließwasserfutterstrategie
Gerade an sehr tiefen Fließgewässern ist das Anfüttern beim Karpfenangeln mit Boilies, Pellets und Partikeln oft schwierig, da sich die Abdrift des Futters kaum bestimmen lässt.
Bei solchen Angelbedingungen hat sich das Anfüttern mit der Tiszá-Methode (Abb.) bestens bewährt, die ich im Zuge meiner vielen Angelaufenthalte an der Tisza kennenlernte. Mit einem einseitig geschlossenen Metallrohr, an welchem oben und unten mittels eines Ringes ein Seil befestigt ist, wird das Futter vom Boot aus am Angelplatz zum Grund gelassen und ausgekippt. Dadurch werden Boilies, Pellets und die Partikel von der Strömung nicht sehr weit weggetragen und man kann kurz hinter dem Boot in der Futterspur angeln. Es empfiehlt sich, nach dem ersten Anfüttern in einem stündlichen Intervall kleinere Mengen nach zu füttern. Gelegentlich sollte man das Futterrohr auch mal einen oder zwei Meter über dem Grund entleeren, damit die Strömung eine längere Futterspur zieht und die Fische zum Futterzentrum gelockt werden. Das gelegentliche händische Einwerfen von Futter vom Boot aus, verlängert zusätzlich die Futterspur noch und erhöht die Chance, dass starke Friedfische die Futterspur annehmen und sich bis zum Hakenköder ins Futterzentrum durchfressen.
Gefüttert wir von uns mit Boilies, Pellets und Partikeln.